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Hier die Auflösung:
Es ist wirklich so, dass sich bei Anlegen einer Spannung an ein Kabel anfangs ein Strom einstellt, der dem Wellenwiderstand (Charakteristik des Kabels) entspricht und sich vorerst nicht nach der Last richtet. In unserem Fall wird eine Stromquelle angelegt, da stellt sich am Eingang des Kabels dann eine Spannung ein als wenn ein gleichwertiger Widerstand angeschlossen ist. Das Ohmmeter zeigt also anfangs 50 Ohm.
Der Stromfluss pflanzt sich nun mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit im Kabel fort. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit ist abhängig vom Dielektrikum und kann nicht schneller als Lichtgeschwindigkeit sein. In meinem Beispiel ist es 200.000 km/s. Es sind nicht die Elektronen selbst, die so schnell durch das Kabel fließen, sondern nur die Welle des Stromflusses. Ich stell mir das bildlich so vor: Die Elektronen entsprechen Soldaten einer Kompanie, die hintereinander in einer langen Reihe aufgestellt, losmarschieren. Aber nicht gleichzeitig durch den Befehl des Kompaniechefs, sondern angestiftet vom letzten in der Reihe. Der marschiert los und ruft gleichzeitig dem Vordermann zu, er solle loslaufen. Der wiederum macht das Gleiche mit seinem Vordermann usw. Die Bewegung in der Reihe wird sich nun wie eine Welle mit der Reaktionsgeschwindigkeit der Soldaten nach vorne fortsetzen, während die Soldaten sich selbst nur mit Schrittgeschwindigkeit fortbewegen. Genauso ist es mit den Elektronen und dem Stromfluss. Der Stromfluss wandert wie eine Welle sehr schnell durch das Kabel, während die Elektronen dazu relativ langsam wandern.
Die Welle des Stromflusses wandert nun durch das Kabel bis zum Ende. Dort kann der Strom nicht mehr weiter fließen weil das Kabel offen ist. In meinem Vergleich mit den Soldaten würde der vorderste Soldat plötzlich stehen bleiben. Es gibt einen Stau. Das Ende des Staus pflanzt sich nun rückwärts wie eine Welle zurück. Im Stau stehen allerdings die Soldaten enger beieinander als vorher, was bei den Elektronen einem höheren Druck bzw. Spannung entspricht. Am Ende des Kabels wird also die Welle des Stroms und auch der Spannung reflektiert. Bei offenem Ende wird die Spannung mit dem gleichen Vorzeichen reflektiert und der Strom mit umgekehrtem Vorzeichen, denn das Auslöschen des Stroms kann man sich auch als Subtraktion mit dem eigenen Wert vorstellen. Die Welle der Spannung wandert nun mit doppeltem Wert zurück, während der Strom sich mit der zurückwandernden Welle aufhebt.
Am Anfang des Kabels passiert nun das Gleiche wie am Ende, weil das angeschlossene Ohmmeter einer Stromquelle entspricht und hochohmig ist. Die Spannungswelle wird mit dem gleichen Vorzeichen reflektiert und ist dann 3 mal so hoch wie die 1. Spannungswelle. Der Strom wird mit umgekehrtem Vorzeichen reflektiert und hat damit wieder den gleichen Wert wie die 1. Stromwelle. Das wiederholt sich nun laufend im Rhythmus von 2 Sekunden. Die Spannungswelle steigt dadurch bei jeder Reflexion. Am Eingang sieht man davon nur jede 2 Reflexion, dafür aber um den 2-fachen Wert. Das Ohmmeter zeigt daher alle 2 Sekunden eine Erhöhung des Widerstandes um 100 Ohm.
Die Lösung ist also:
2 Sekunden lang 50 Ohm, dann 2 Sekunden lang 150 Ohm, dann 2 Sekunden 250 Ohm, usw.
wie auch im angehängten Bild grafisch zu sehen ist.
Wird nun das Kabel am Ende mit 50 Ohm abgeschlossen, dann gibt es keine Reflexion, da der Abschluss exakt mit dem Wellenwiderstand übereinstimmt. Das Ohmmeter wird dauernd 50 Ohm anzeigen.
Manch einer wird sich jetzt denken - das ist ja nur ein Gedankenexperiment, in Wirklichkeit kommt das nicht vor. Der das denkt, täuscht sich aber gewaltig. Der Effekt ist immer vorhanden, und nicht nur in Koaxialkabeln, sondern auch in normalen Leitungen, nur spielt sich das bei normal langen Leitungen und Kabeln in sehr viel kürzerer Zeit ab. Und in Wirklichkeit gibt es natürlich Verluste, wodurch die Effekte gedämpft werden. Aber sie treten auf, nur machen wir uns darüber im täglichen Gebrauch keine Gedanken..
Aber ab und zu sollte man sich Gedanken über eine Leitung machen, denn da steckt doch mehr drin als es den Anschein hat. Hier einmal einige Anwendungsbeispiele aus der HF-Technik:
- zur Widerstandstransformation z.B. Antennenanpassung
- Reaktanzleitung; ab ca. 500MHz braucht man so kleine L und C, die als diskrete Bauteile nicht mehr herstellbar sind, mit einer Reaktanzleitung kann man sie ersetzen.
- Leitungsresonator; Leitungen sind sehr gut als Resonator für Oszillatoren einsetzbar
Es gibt sogar ein spezielles Messverfahren, welches den Effekt der Reflexionen nützt. Es ist die Zeitbereichsreflektometrie (engl. Time Domain Reflectometry, kurz TDR). Die Anwendungen sind zum Beispiel:
- Längenmessung von Kabeln
- Störquellenortung an Kabeln
- Feuchtigkeitsmessung
- Leitfähigkeitsmessung
- Füllstandsmessung
Über weitere Anwendungen und Beispiele würde ich mich freuen.
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